Kollaps von Molekülwolken

Grundvorausstetzung für die Geburt eines Sterns ist der Kollaps des Sternmaterials. Ob und wie dieser Kollaps zustande kommt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig.

Sternentstehung im Carina-Nebel | Foto: NASA, ESA, and M. Livio, The Hubble Heritage Team und das Hubble 20th Anniversary Team
Sternentstehung im Carina-Nebel | Foto: NASA, ESA, and M. Livio, The Hubble Heritage Team und das Hubble 20th Anniversary Team

Korrekterweise ist es nicht die gesamte Moleküwolke, die unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfällt. Stattdessen kollabieren die einzelnen Kerne der Molekülwolke, die die Wolke zuvor fragmentierten.

Ein Molekülwolkenkern bleibt stabil, solange sich die potenzielle Gravitationsenergie und die thermische Energie ihrer Teilchen ausgleichen. Die Gravitationskraft wirkt zwar kontinuierlich nach innen und "drückt" den Wolkenkern regelrecht zusammen, aber die thermische Energie der Teilchen kann diesem Gravitationspotenzial entgegenwirken und einen Druck nach außen erzeugen.

Solange sich beide Kräfte ausgleichen, befindet sich der Wolkenkern im sogenannten hydrostatischen Gleichgewicht und bleibt stabil.

Gemäß dem Virialsatz muss die thermische Energie zwei mal größer als die Gravitationsenergie sein, um das hydrostatische Gleichgewicht zu wahren. Solange diese Bedingung erfüllt wird, ist ein Kollaps des Wolkenkerns nicht möglich.

Die thermische Energie (kinetische Energie bzw. Bewegungsenergie) ist auf die Temperatur des Kerns zurückzuführen. Somit stellt die Temperatur einen entscheidenden Faktor für den Kollaps eines Wolkenkerns dar.

Hohe Temperaturen verhindern den Kollaps einer Gaswolke
Haben die Teilchen (in diesem Beispiel Protonen) eine zu hohe Temperatur, ist der Druck nach außen zu groß und ein gravitativer Kollaps ist nicht möglich.

Ebenso einflussreich wie die Temperatur des Wolkenkerns ist der Drehimpuls der Molekülwolke. Durch die Rotation wirkt eine Zentrifugalkraft, die die Teilchen nach außen trägt und damit dem Gravitationspotenzial entgegenwirkt.

Neben diesen Faktoren spielen auch die Geometrie des Wolkenkerns, zusätzlicher turbulenter Druck und eventuelle Magnetfelder eine Rolle.

Wann ein Wolkenkern kollabiert

Um das hydrostatische Gleichgewicht zu verhindern oder zu zerstören und damit den Molekülwolkenkern kollabieren zu lassen, muss also entweder die Masse ausreichend hoch oder die Temperatur ausreichend niedrig sein.

Sollte die Molekülwolke eine Eigenrotation aufweisen, so muss die Wolke zusätzlich an Drehimpuls verlieren, da dieser den Kollaps erheblich erschwert.

Die Temperatur einer Molekülwolke sinkt, indem das Gas seine thermische Energie in Form von Strahlung abgibt. Die emittierte Strahlung führt folglich dazu, dass der thermische Druck abnimmt.

In Zahlen fassen lässt sich diese Gegebenheit mit dem Jeans-Kriterium, welches eine Grenzmasse für den gravitativen Kollaps hinsichtlich Dichte, Temperatur und Rotation liefert. Übersteigt die Masse eines Wolkenkerns seine entsprechende Jeans-Masse \(M_{Jeans}\), wird er gravitativ instabil und kollabiert unter seinem Eigengewicht.

Der erste Kern

Die abgegebene Strahlung der Teilchen kann wegen der hohen Durchlässigkeit der äußeren Schichten entweichen – sie sind optisch dick. Mit dem Entweichen der Strahlung bleibt die Temperatur im Inneren des Wolkenkerns zu Beginn des Zusammensturzes unverändert. Man spricht von einem isothermen Vorgang.

Im Laufe der Zeit nimmt jedoch die Dichte und damit auch die optische Dicke zu. Die verringerte Durchlässigkeit der einzelnen Schichten des Wolkenkerns führt dazu, dass sich der Kern stark aufheizt (adabiatischer Kollaps).

Da mit der Aufheizung auch eine höhere thermische Energie verbunden ist, die dem Gravitationspotenzial entgegenwirkt, kann auf diese Weise das hydrostatische Gleichgewicht wiederhergestellt werden. Als Konsequenz bildet sich ein fast hydrostatischer Kern, auf den kontinuierlich Materie von außen einstürzt. Der sogenannte erste Kern hat sich gebildet.

Wie schnell sich ein solcher erster Kern bildet, hängt in erster Linie von der Dichte der Molekülwolke ab und wird durch die Freifallzeit beschrieben. Bei ihr handelt es sich um eine Zeitskala, die Abhängig von der Dichte \(\rho\) mit \(T_{ff} = \sqrt{\frac{3\pi}{32G\rho}}\) berechnet werden kann.

Der zweite Kern

Das Einstürzen von Materie auf den ersten Kern bewirkt, dass sich dessen Temperatur immer weiter erhöht. Ab ca. 1800 K ist der Kern so heiß, dass die Wasserstoffmoleküle aufgrund ihrer hohen thermischen Energie dissoziieren, sich also in einzelne Atome aufspalten. Hierfür wird Energie verwendet, die zuvor zur Stabilisierung des Kerns beigetragen hat, wodurch das hydrostatische Gleichgewicht erneut gestört wird.

Das Gravitationspotenzial lässt den Kern ein weiteres Mal kollabieren.

Gestoppt wird dieser Kollaps erst dann, wenn der Kern auf ca. 100.000 K erhitzt wurde und alle Atome im Zentrum bereits ionisiert wurden. Genau wie im vorherigen Fall hat sich durch die hohe thermische Energie erneut ein fast hydrostatisches Gleichgewicht ausgebildet.

Dieser zweite, prästellare Kern wird im weiteren Verlauf seine Leuchtkraft mittels Akkretion (siehe nächster Schritt) erhalten. Diese Konfiguration bezeichnet man als Protostern.

Elektromagnetische Strahlung oder andere Energie kann ein Atom ionisieren.
Darstellung der Ionisation eines Wasserstoffatoms. Die einfallende Energie "schlägt" das Elektron aus der Elektronenhülle. Zurück bleibt ein positiv geladener Atomkern.

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